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Unerhörte Geschichten in Landl

13.09.2024, 14:00

Starkregen und Stürme schüttelten am Tag der Veranstaltung „Früher war alles anders…“ in Landl Teile von Österreich, so auch die Obersteiermark. Dennoch brachte dieser Unerhört-Spaziergang am 13.9.2024 eine engagierte Runde an Personen zusammen. Die Gruppe war – witterungsbedingt wegen Regen und plötzlichem Temperatursturz – kurz im Freien und fand sich dann im Gasthaus Mooswirt ein.

Neben den Berichten über die Arbeit in der Landwirtschaft, Tourismus und häusliche und familiäre Tätigkeiten fand das Generationenthema viel Aufmerksamkeit. Die aus Gams stammende Umweltpsychologin und Mitarbeiterin bei GO ON-Suizidprävention Anna Pribil, die auch Obfrau des Tourismus- und Kulturvereines Gams ist, begleitete die Veranstaltung, die bei den Teilnehmer:innen großes Interesse an einer Weiterführung dieser Erzähl- und Begegnungsform weckte.

Hermi (Hermine Grossmann) und Heli (Helene Schaffer) erzählten beim Mooswirt in geselliger Runde über ihr Leben in der stark landwirtschaftlich geprägten Region. Da der Vater in Kriegsgefangenschaft war, gibt es zwischen den insgesamt fünf  Schwestern zwischendurch einen großen Altersabstand. Heli musste bereits mit sechs Jahren am Bauernhof viel arbeiten.

Die medizinische Versorgung von früher wurde besprochen: Einmal hatte sich Helene beim Schifahren den Fuß gebrochen. Als der Arzt sie nach 3 Tagen untersuchte, meinte er nur: „Deine Mama hat dir den Fuß beim Schuhe ausziehen ja eh schon eingerichtet!“ Einen Gips hat sie dann trotzdem noch bekommen, der dann viel zu lange oben blieb und – als er zu bröckeln begann – von ihrer Oma heruntergeschnitten wurde.

Als Hermi mit 1,5 Jahren eine Lungenentzündung hatte, verordnete ihr Dr. Moser (Anna Pribils Großvater) Penizillin: Die Geschichte, dass sie ohne diesen Arzt nicht überlebt hätte, hat sie seit ihrer Kindheit begleitet.

Was damals auf die Teller kam und was in welcher Form angebaut wurde, war ebenfalls ergiebiger Gesprächsstoff – etwa, dass die Getreidefelder eher Blumenwiesen glichen, weil nichts gespritzt wurde und die Ähren halt zwischen Unkraut und Blumen wuchsen. „Gschnitt Nudeln in Schweineschmalz herausgebraten“ war ein typisches regionales Gericht, gegessen mit „saurer Milchsuppe“ oder mit Sauerkraut. Tomaten oder Zucchini kannte man früher nicht, dazu war es auch zu kalt. Angebaut wurden Getreide, Kartoffeln, Bohnen, Kraut usw. Doch so viel Arbeit es auch gab, es war auch immer Zeit für Geselligkeit und „jausnen“ – ganz wichtig nach der getanen Arbeit.

Auch die Herausforderungen der heutigen Zeiten wurden reflektiert. So ist es oft schwierig, jemand für die Hofnachfolge zu finden. Manchmal wollen aber auch die Eltern noch nicht übergeben. Dass die Pension vor allem für die Bäuerinnen viel zu niedrig ist und wenn man niemanden zum Übergeben hat, aus der Pension auch noch die Sozialversicherung bezahlen muss (bei einer Teilnehmerin ca. € 1.000 pro Quartal), belastet ältere Frauen sehr.

Zur Mobilität wurde festgehalten, dass man nicht leicht zur Ärztin oder zum Arzt kommt, wenn man kein Auto hat oder auch Einkaufen schwierig ist, wenn man zu weit weg wohnt.

Als Fazit wurde am Ende erkannt, dass es früher zwar viel Arbeit gab, dass aber auch alle zusammengeholfen haben, wenn zum Beispiel beim „Heign“ (Heuen) ein drohendes Gewitter heranzog. Wenn es auch wenig Zeit für Ruhe oder Rast gab, gab es trotzdem viel Geselligkeit und Zusammenhalt. Alle Teilnehmer:innen am Gespräch waren sehr interessiert und alle brachten etwas aus ihrem Leben ein.

Folgende Zitate illustrieren Aspekte der gehaltvollen Diskussion:

„Wir sind eine Generation, die früher den Alten folgen musste und heute den Jungen.“

„Schinden haben sich die Alten nicht müssen, die waren die Bauern, die haben angeschafft. Und dann hatten sie Knechte und Dirnen, die die Arbeit erledigt haben.“

„Heutzutage sitzt jeder Bauer alleine auf seinem großen Traktor und kann höchstens Radio hören, die Geselligkeit ist weniger geworden.“

„Mein Großvater hatte 16 Kinder von zwei Frauen“

„Da hat man nur geschaut, dass man die Kinder bei den Bauern zum Arbeiten anbringt, damit sie weg von der Schüssel sind“

„Du bist wirklich a super Bäurin!“ zu Sigrid, weil sie geholfen hat, ein Kaibal (Kalb) einzufangen, als es auskommen ist.

„Mein Mann hat den ganzen Tag gearbeitet und ich war zuhause mit den vier Kindern.“ Als ich sie darauf hinwies, dass das ja auch Arbeit war, die sie gemacht hat, sagte sie: „Das wird aber nicht so gesehen, wenn ich mich über meine kleine Pension aufrege, sagt man mir, dass ich ja nie gearbeitet hätte, wie sich da eine Pension ausgehen soll.“

Aus dem Gespräch hat sich abgezeichnet, dass die Gesellschaft immer individualistischer wird und die Menschen unter dieser Entwicklung leiden. Das Zusammenkommen in dieser kleinen Runde hat allen gut getan und der Wunsch nach einer Wiederholung wurde mehrmals geäußert.

Fotos: ©Barbara Pölzgutter Photography

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