Startpunkt für diesen Stadtspaziergang durch die bekannte Tourismus- und Bergbaustadt war das Bruderladenhaus. 1661 erbaut, beherbergt es seit 1989 das Stadtmuseum Schladming. Monika Streicher und Astrid Perner begleiteten die große Gruppe an Interessierten. Nach der Begrüßung durch Kulturausschussvorsitzende Brigitte Pürcher wurde von Martina Pitzer und Mag.a Karin Trinker die die Frauen- und Mädchenberatung Philomena vorgestellt.
Das Bruderladenhaus war Knappenspital und Pflegeheim für kranke oder verunfallte Bergleute und deren Angehörige. Der Gedanke dahinter war der Aufbau eines Sozialsystems, lange Zeit, bevor solch eine staatliche Absicherung bestand. Über den Alltag und die geleistete Arbeit in der Bruderlade ist wenig bekannt. Denn die tatsächliche Care-Arbeit wurde hier – nach wie vor selbstverständlich – von Frauen übernommen. Unsichtbar hielten sie den Betrieb am Laufen, unsichtbar sind sie in der Geschichtsschreibung.
Die Gruppe bewegte sich weiter zum Knappenhaus: Hier erinnern Malereien an den Fensterläden an ein Grubenunglück im Giglachgebiet, das 300 tote Bergarbeiter mit sich brachte und somit zahlreiche Witwen und Waisen hinterließ. Der Legende zufolge war der Auslöser eine grausame Tierquälerei durch die Bergknappen. Dies ist auf den Fensterflügeln des Hauses festgehalten. Was wissen wir aber über die Versorgung der Frauen und Familien im Mittelalter in Schladming, wie haben sie sich beholfen? Welche nicht dokumentierten Beiträge haben sie im Bergbau geleistet? Frauengeschichte jenseits von Adel und Heldentum wurde auch hier nicht festgehalten.
Über den Friedhof gelangten die Spaziergeher*innen zur Anna-Kapelle: Das Besondere an dieser Kapelle aus dem 13. Jahrhundert ist, dass eine ihrer Mauern aus der alten Stadtmauer besteht. Das Gebäude diente jahrhundertelang als Karner. Im Keller befinden sich zahlreiche Gebeine, so auch die Schädelknochen von Kindern.
Der autofreie Hauptplatz mit zahlreichen Lokalen und Geschäften war das nächste Ziel.
Die kleine Statue des Heiligen Florians an der Fassade eines Hauses am Hauptplatz erinnert an die Wichtigkeit der Feuerwehr in Schladming. In dieser Stadt haben viele Großbrände gewütet, wodurch immer wieder ganze Stadtteile zerstört wurden. Die ehrenamtlichen Leistungen in dieser Institution soll am Beispiel der Familie Klammer sichtbar gemacht werden. Sepp Klammer war Feuerwehrhauptmann, auch die Funkstation für die Einsatzkräfte befand sich im Haus der Familie. Sepp Klammers Brotberuf war der des Schusters, und er betrieb ein Schuhgeschäft. Frau Klammer hielt ihrem Mann „den Rücken frei“, damit er seiner Leidenschaft bei der Feuerwehr nachgehen konnte. Oftmals ließ er im Geschäft alles stehen und liegen, seine Frau führte das Geschäft und den Haushalt mit ihrer Tochter allein. Olga Klammer schrieb auch ein berührendes Gedicht über die Feuerwehr. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Schladming aufgrund des Männermangels eine Feuerwehr-Frau.
Kriegerdenkmal im Rathauspark: Die sehr gelungen Blumenanlagen im Park, gestaltet von den Gärtner*innen, fanden Bewunderung. Astrid Perner erzählt über ihren persönlichen Bezug zum Kriegerdenkmal, da ihr Großvater Siegmund Reiter (Vulgarname Prechtler) im Krieg am 26.4.1945 ganz knapp vor Kriegsende gefallen ist. Sie besuchte den deutschen Soldatenfriedhof Costermano in Italien, an dem ihr Großvater beerdigt wurde. Die Großmutter blieb mit ihrem Kind allein zurück.
Vor dem Rathaus stellte Vizebürgermeisterin Maria Drechsler Schladmings Kinderbürgermeisterin Romy Knauß vor. Die Vizebürgermeisterin selbst ist seit drei Amtsperioden tätig und verwies auf die besseren Soft Skills der Frauen in der Politik. Von den 25 Gemeinderatsmitgliedern der Stadt Schladming sind 5 Frauen. Generell trauen sich Frauen weniger zu, erledigen viel und kompetent ihre Arbeit, aber oft im Hintergrund. Der Vizebürgermeisterin liegt die Jugend am Herzen, weshalb sie sich für den Kindergemeinderat einsetzt. Romy Knauß erklärte, wie man Kinderbürgermeisterin wird und dass es ein eigenes Wappen gibt. Das Wappen ist bunt und steht für die Vielfalt Schladmings. Vizebürgermeisterin Drechsler erläuterte weiters die wirtschaftliche Entwicklung Schladmings sowie die besondere Beziehung zu ihren vier Partnerstädten.
Die Haupteinnahmequelle Schladmings ist der ganzjährige Tourismus. Das Adelsgeschlecht Sachsen- Coburg und Gotha spielte in der Entwicklung der Sommerfrische eine große Rolle, ihre Vertreter errichteten hier 1884 einen Jagd- und Sommerwohnsitz. 1940 verkaufte die Familie das Jagdschloss an die Gemeinde und seitdem dient es als Rathaus.
Besonders tragisch: Ein Stolperstein verweist auf das Schicksal der Prinzessin Maria Karoline von Sachsen-Coburg und Gotha. Sie wurde im Zuge der „Aktion T4“ in die NS-Tötungsanstalt Hartheim verschleppt und dort wie viele anderen Frauen und Männer mit Beeinträchtigungen ermordet. Stolpersteine zum Gedenken der Opfer des NS-Terrors wurden in Schladming und der Ramsau zwischen 2021 und 2023 verlegt.
Geplant ist eine Extra-Führung durch das Schladminger Rathaus sowie weitere Streifzüge durch den Bezirk Liezen. Der Spaziergang fand seinen Ausklang im Gasthof Brunner.
Dieser Streifzug im Rahmen des Projekts „Unerhört! Unerzählte Geschichten erzählen“ wurde mitorganisiert von Hilde Unterberger, Katharina Ernecker (Stadtarchiv Liezen) und Edith Zitz (inspire). Gefördert von Land Steiermark Kultur und Bildung und Gesellschaft
© Foto Steinfisch